Kreta ist eines der populärsten Urlaubsziele der Deutschen, ein Ort voller Mythen,
mit feinen Sandstränden und Sonnenschein an 300 Tagen im Jahr. Die einzige
Synagoge der größten griechischen Insel befindet sich in Chania. Über Jahrzehnte
wurde sie nicht genutzt, es gab keine jüdische Gemeinde mehr. Heute wird sie
jährlich von fast 40.000 Menschen besucht.
Die wenigsten Touristinnen und Touristen kennen jedoch die Geschichte des Ortes
– und wie diese mit der Geschichte der Deutschen zusammenhängt:
Dort, wo heute Sonnenschirme stehen, landeten einst Wehrmachtssoldaten mit
ihren Fallschirmen. Die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner der Insel wurden
am 20. Mai 1944 von deutschen Soldaten verhaftet. Zur Deportation nach
Auschwitz vorgesehen, wurden sie auf das Transportschiff Tanaïs gebracht. Das
Schiff sank am Morgen des 9. Juni 1944 nördlich von Kreta. Keine Gefangenen
überlebten. 2024 jährt sich der tragische Untergang, der das Ende einer 2300
Jahre andauernden Geschichte der jüdischen Gemeinde auf Kreta markiert, zum
achtzigsten Mal.
Gemeinsam mit der kleinen Etz-Hayyim-Gemeinde, die die Synagoge in Chania
wieder nutzt, haben wir uns deshalb aufgemacht, die lokale Geschichte und die
Verantwortung Deutschlands zu recherchieren, vor Ort präsent zu machen und
für die pädagogische Nutzung an Schulen in Deutschland und Griechenland
aufzubereiten. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt aus Mitteln des
Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds finanziert. Unter der künstlerischen
Federführung von Jürgen Zielinski, ehemaliger Intendant und Regisseur des
Theaters der Jungen Welt in Leipzig, ist im Rahmen des 18-monatigen Projekts ein
Bühnenprogramm entstanden, das die beinahe vergessene Tragödie des Schiffes
Tanaïs und das Schicksal der griechischen Jüdinnen und Juden, von denen etwa
90 Prozent im Holocaust starben, thematisiert. „Die Schatten neben dem Sonnen-
schirm“, heißt die beeindruckende Theater-Performance am historischen Ort. Eine
Ausstellung, ein Dokumentarfilm sowie eigens entwickelte Methoden für den
Schulunterricht, die in Workshops mit Lehrerinnen und Lehrer aus beiden
Ländern vorgestellt werden, vervollständigen das Projekt.
Damit werden neue Zugänge zur schwierigen griechisch-deutschen Geschichte
ermöglicht und einer gemeinsamen Erinnerungskultur und Aussöhnung der Weg
geebnet. Dabei wird auch die wechselhafte Geschichte des Ariowitsch-Hauses –
wie Etz Hayyim, ein Ort der Verfolgung und Neubeginns jüdischen Lebens – in
Beziehung gesetzt und fließt mit ins Projekt ein. Das Projekt leistet Bildungsarbeit
und Aufklärung über die Folgen der Nazi- Okkupation Kretas und der Vernich-
tung der gesamten jüdischen Gemeinde – vor Ort auf Kreta durch partizipative
Angebote an Einheimische sowie Touristinnen und Touristen und
durch Rückkoppelung nach Deutschland.
Am 16. Dezember um 18 Uhr wird unser deutsch-griechisches Team Ausschnitte
der Performance einmalig zeigen, über die schwierige Quellenlage für das Projekt
und die spannenden Entdeckungen während der Recherche vor Ort sowie das
pädagogische Begleitprogramm sprechen. Ein geselliger Ausklang mit Wein und
Fingerfood soll den Abend für Gespräche zur Zukunft dieses internationalen
Austauschs öffnen.
Veranstalter: Ariowitsch-Haus e. V., Etz Hayyim Synagoge Chania/Kreta
Mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts.
Um Anmeldung bis zum 14. Dezember per Email an keinbrecht@ariowitsch-
haus.de wird gebeten.